15.02.2023

Wie bio sind wir eigentlich?

Die EU hat große Ziele. In der 2020 beschlossenen From-Farm-To-Fork-Strategie (1) im Rahmen des europäischen, grünen Deals sind wesentliche Ziele zur Erreichung einer Klimaneutralität bis 2050 festgehalten.

„Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.“ (2)

Ein wichtiger Punkt dabei ist ein Anteil von 25% an biologisch bewirtschafteter Rebfläche. Deutschland, Österreich und Schweiz sind hier auf einem guten Weg. Die biologisch bewirtschaftete Rebfläche hat sich in Österreich seit 2010, in Deutschland seit 2015 und in der Schweiz seit 2018 prozentual mehr als verdoppelt (Stand 2021):

  • Deutschland – 12.500 ha, 12,1% von 103.400 ha (3)
  • Österreich – 6.900 ha, 15,0% von 46.000 ha (4)
  • Schweiz – 2.244 ha, 16,6% von 13.500 ha (5)

Zum Vergleich: der weltweite Anteil an Bio-Rebfläche lag 2019 bei 6,2%. (6)

Was genau bedeutet Bio eigentlich?

Der biologische Weinbau will ein ausbalanciertes Ökosystem im Weinberg schaffen bzw. erhalten und Bio-Diversität fördern. Im Gegensatz zu Getreide oder andere Nutzpflanzen, wo die Möglichkeit besteht, zyklisch das Saatgut zu wechseln (Wechselwirtschaft), ist der Weinbau eine Monokultur, bei der teilweise über Jahrhunderte ausschließlich Wein angebaut wird. Bio-Betriebe nutzen daher die Chance, nach der altersbedingten Rodung eines Weinberges der Fläche ein paar Jahre Erholung zu geben, sofern dies aus wirtschaftlicher Sicht des Weinguts möglich ist.

Grundsätzlich wird bei biologischer Bewirtschaftung auf chemisch-synthetisch hergestellte Pflanzenschutzmittel, auf Pflanzenvernichtungsmittel (Herbizide) und künstliche Dünger verzichtet. Dafür werden Pflanzenstärkungsmittel verwendet, Backpulver, Schwefel und Kupfer ausgebracht (gegen Mehltau) und biologische Dünger wie Humus oder Kompost eingesetzt.
Für mehr Bio-Diversität werden zwischen den Zeilen diverse Pflanzen ausgebracht, die bspw. Stickstoff im Boden binden oder die Artenvielfalt im Weinberg erhöhen. (7)

Will ein Betrieb auf BIO umstellen, so muss er drei Jahre (drei Ernten) lang seine Rebflächen biologisch bewirtschaften. Die in dieser Zeit erzeugten Weine werden als Umstellungsware gekennzeichnet. Dies ist mit allen zugelassenen Rebsorten möglich. Besonders im Bio-Bereich finden sich zunehmend pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWIs), die eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten aufweisen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduzieren.

Wie steht es um die DACH-Region?

In Deutschland hat der Bio-Weinbau in den letzten Jahren stark zugenommen. Laut Deutschem Weininstitut (DWI) hat sich der Anteil der biologisch bewirtschafteten Rebfläche zwischen 2004 und 2021 verfünffacht. Mit aktuell 12,1% gehört Deutschland weltweit zu den TOP 10. (3)

Auch in Österreich gewinnt der Bio-Weinbau immer mehr an Bedeutung. Im Jahr 2021 wurden bereits 15,1 % der Weinfläche biologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend. Im Vergleich dazu betrug der Anteil im Jahr 2010 noch 7,1 %. Die meisten Bio-Weinbauern sind im österreichischen Burgenland ansässig. (4)

Die biologisch bewirtschafteten Rebflächen der Schweiz wachsen stetig an und betrugen 2021 rund 2.244 ha. Der Anteil der Bioflächen an der gesamten Rebfläche betrug 2021 damit rund 16,6% und ca. 12,4% der Betriebe waren Bio-zertifiziert. Dies bedeutet eine Verdopplung seit 2018. 75% der gesamten Fläche liegt in der Westschweiz, Wallis und Bündnerland verzeichnen ein starkes Wachstum. (5)

Wie erreichen wir das EU-Ziel?

Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Neben der Förderung biologischer Umstellung und verschiedenen Beratungsangeboten der landeseigenen Institute sind sowohl auf politischer Ebene als auch im Marketingsektor einige Anstrengungen notwendig.

Zumindest die steigende Nachfrage nach Bio-Wein sollte der Zielerreichung in die Karten spielen. Laut einer Studie zum Bio-Wein-Konsum(8) wird die Nachfrage sich bis 2028 mehr als verdoppeln. Gründe hierfür sind neben den Bemühungen der einzelnen Landesregierungen besonders die steigende Nachfrage nach ökologischen und nachhaltigen Lebensmitteln. Auch die Veränderung hin zu gesünderem Lebensstil und die Verstärkung sozialer Werte kurbeln laut Studie den Umsatz in den nächsten Jahren deutlich an. Die weltweite Verfügbarkeit im Zuge der Digitalisierung und die Bereitstellung von Bio-Wein in allen denkbaren Verpackungen (Flaschen, Dosen, etc.) bieten zudem mehr Vergleichbarkeit und Auswahl für die Konsument:innen.

Das Wachstum des Marktes ist auf die schnell wachsende Vorliebe der Verbraucher für ökologische und nachhaltige Lebensmittel und Getränke zurückzuführen. Heutzutage haben die Menschen einen veränderten Lebensstil und soziale Werte, was die Nachfrage nach Bio-Getränken, wie z. B. Bio-Wein, anheizt. Die digitale Technologie, die es ihnen ermöglicht, auf verschiedene Produkte zuzugreifen, hat die Nachfrage nach Biowein weiter gefördert. Biowein ist in vielen Geschmacksrichtungen und Verpackungen erhältlich; Rotwein, Weißwein und Roséwein sind beispielsweise in Flaschen und Dosen unterschiedlicher Größe verpackt, was die Zahl der Optionen für die Verbraucher erhöht hat. Darüber hinaus hat die zunehmende Zahl von Initiativen der Regierungen, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, zu einem Anstieg der Produktion von Biowein geführt. Die größere Verfügbarkeit von Biowein und das Bewusstsein für die Produktvorteile tragen erheblich zur Nachfrage nach Biowein bei.

In jedem Fall sind zur Umsetzung der Maßnahmen sowohl politische als auch gesellschaftliche Anstrengungen notwendig. Wenn wir alle unseren Beitrag dazu leisten, ist es durchaus realistisch, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.

Quellenangaben:

(1) https://www.consilium.europa.eu/de/policies/from-farm-to-fork/

(2) https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20190926STO62270/was-versteht-man-unter-klimaneutralitat#:~:text=Klimaneutralit%C3%A4t%20bedeutet%2C%20ein%20Gleichgewicht%20zwischen,weltweit%20durch%20Kohlenstoffbindung%20ausgeglichen%20werden.

(3) https://www.deutscheweine.de/wissen/weinbau-weinbereitung/oekologischer-anbau/

(4) https://gruenerbericht.at/cm4/jdownload/download/2-gr-bericht-terreich/2398-gb2022

(5) https://www.bioaktuell.ch/fileadmin/documents/ba/Markt/Wein/Marktspiegel_Bio_Wein_Mai_2022_NEU.pdf

(6) https://www.oiv.int/public/medias/8514/en-focus-the-world-organic-vineyard.pdf

(7)https://www.kontrollgesellschaft.de/fileadmin/Dokumente/QMD_Dokumente/QMD_4__Merkblaetter_Betrieb/QMD_4_12_Hinweise_zum_oekol._Weinbau.pdf

(8) https://www.theinsightpartners.com/reports/organic-wine-market

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